Man denkt, das Ideal artgerechter Pferdehaltung ist freier Zugang zur Pferdeweide das ganze Jahr über. Umso mehr wundert es, dass so viele Pferde, die in der Gruppe in Offenstallhaltung leben, schwerwiegende gesundheitliche Probleme haben. Daher liegt es auf der Hand, mal genauer hinzusehen und die Hauptnahrungsquelle – die Wiese – eingehend zu betrachten.
Wie es aussieht, haben unsere heutigen Pferdeweiden nicht mehr viel mit früheren gesunden Wiesen zu tun. Während einst Pferdewiesen bunt waren und sich aus verschiedensten Gräsern und Kräutern zusammensetzten, haben sich heute Monokulturen durchgesetzt, die leider meist auf die Bedürfnisse von Hochleistungsrindern abgestimmt sind. Seit der Jahrtausendwende wird zu Gunsten der intensiven ertragsorientierten Landwirtschaft verstärkt Saatgut verwendet, das von sogenannten Endophyten besiedelt ist. Äußerlich nicht sichtbar, aber mit großen Folgen für Weidetiere und vor allem für unsere sensiblen Pferde, wächst auf den Wiesen ein gefährlicher Giftcocktail heran.
Endophyten Bakterien
Was sind Endophyten?
Endophyten sind Pilze, die eine symbiotische Lebensgemeinschaft mit Pflanzen eingehen – aus dem Griechischen: Endo = innen, Phytos = Pflanze.
Der Pilz durchdringt die gesamte Pflanze vom Stängel bis zu Blättern und Blüte. Lediglich die Wurzel bleibt verschont. Während man früher von einer Infektion ausging, spricht man heute von Symbiose, da beide Parteien - der Wirt und der Symbiont - von der Lebensgemeinschaft profitieren. Der Pilz erhält von der Pflanze den zum Überleben notwendigen Zucker, die Pflanze wird durch ein raffiniertes System resistenter gegen Stressfaktoren. Wenn die Pflanze gestresst wird durch starke Trockenheit, große Kälte oder Fraß durch Insekten oder Weidetiere, sondert sie Stresssymptome ab, die den Pilz dazu bewegen, verstärkt Toxine auszuscheiden. Diese Toxine sollen die Fraßfeinde daran hindern weiterzufressen, da die Pflanze nicht mehr schmeckt. Besonders konzentriert finden sich die Gifte am Anfang des Stängels kurz über dem Boden und in der Blüte und den Samen.
Welche Arten von Endophyten gibt es?
Pilze
Bakterien
Warum wird bewusst Grassaat eingesät, die von Endophyten besiedelt ist?
Endophyten machen Pflanzen widerstandsfähiger und damit die Wiesen ertragreicher. In den USA und Neuseeland wird fast ausschließlich endophytisches Saatgut verkauft - mit allen negativen Folgen für die Weidetiere. Die Weidetaumelkrankheit, die häufig bei Schafen in Neuseeland auftritt, ist eine dramatische Folge, die billigend in Kauf genommen wird, weil unterm Strich der Ertrag stimmt.
Warum sind Endophyten für Pferde so gefährlich?
Pferde sind Weidetiere, die natürlicherweise am besten in freier Weidehaltung leben. Als bewusste und achtsame Pferdehalter gehen wir natürlich davon aus, das Beste für unsere Pferde zu tun, wenn wir ihnen möglichst viel Weidegang ermöglichen, am besten den ganzen Tag im Offenstall. Doch genau hier machen uns die Endophyten einen Strich durch die Rechnung.
Welche Gräser sind betroffen?
Besonders hohe Giftbelastungen weisen Gräser im Stängel kurz über dem Boden, in den Blüten und Samen auf. Folgende Grasarten sind besonders häufig von Endophyten besiedelt:
- Deutsches Weidelgras
- Wiesenschwingel
- Rotschwingel
Welche Krankheiten können durch Endophyten ausgelöst werden?
Folgende Krankheiten können mit einer Belastung durch Endophyten auf deiner Weide zu tun haben:
Mutterkornvergiftung zeigt viele unterschiedliche Symptome und wird daher nur schwer erkannt:
- Geschwollene Gelenke
- Durchblutungsstörungen bis zum Absterben von Gliedmaßen
- Laminitis (Hufrehe) bis zum Ausschuhen
- Auffälliges Schwitzen
- Atemprobleme
- Konditionsverlust
- Vermehrter Speichelfluss
- Koliken
- Hormonstörungen mit schweren Folgen für tragende Stuten und Fohlen (Kleinwuchs, Entwicklungsstörungen, usw.)
- Weidegrastaumelkrankheit
- Lahmheit
- Zittern
- Headshaking
- Krämpfe
- Extreme Schreckhaftigkeit
- Koliken
- Darmlähmung
- Schlechte Leberwerte
Equines Schwingelödem
- Benommenheit
- Wassereinlagerungen am Kopf
- Schwellungen an Nüstern, Augen, Lippen und Ohrspeicheldrüsen
- Ödeme an Geschlechtsorganen
- Ödeme an Hals und Rumpf
- Unfruchtbarkeit von Stuten
- Darmverschluss
- Tödliche Koliken
Leberschäden
- Stichelhaare
- Auffallende lange Haare im sonst kürzeren Fell
- häufige Augenentzündungen
- Gallen
- Angelaufene Beine
- Auffallender Leistungsabfall
- Mauke
- Hautprobleme
Unser Tipp:
Woran erkenne ich, ob meine Wiese betroffen ist?
Leider kannst du äußerlich nicht sehen, ob deine Wiese von Endophyten besiedelt ist. Es kann sogar sein, dass deine Pferde einige Jahre keine Auffälligkeiten zeigen und vollkommen gesund sind, obwohl bereits Endophyten vorhanden sind. Sobald ein Pferd auffallende Symptome zeigt, werde bitte sofort aktiv und gehe der Sache nach. Im Zweifel nimm dein Pferde von der Weide.
Wie bereits erwähnt, gibt es in Deutschland noch keine entsprechenden Tests, aber frage diese trotzdem nach, damit die Tierärzte und –apotheken erkennen, dass eine relevante Nachfrage besteht.
Was tun, wenn mein Pferd vermutlich Endophyten gefressen hat?
Wie kann ich vorbeugen?
- Wechselbeweidung: Stecke immer wieder einzelne Abschnitte für die Beweidung ab, damit sich andere Abschnitte erholen können.
- Besondere Vorsicht im Sommer und Herbst: Aufgrund starker Temperaturschwankungen, Hitze, Kälte,Trockenheit und Insektenfraß kommt es in dieser Zeit zu stärkerer Stressbelastung für das Gras und damit zu höherer Giftproduktion durch die Endophyten.
- Vorsicht vor Überweidung! Stelle nicht zu viele Pferde auf deine Weide, um Bodenverdichtung zu vermeiden, denn auch das stresst das Gras.
- Dünge bedarfsgerecht
- Säe regelmäßig mit grasartenreichem Saatgut nach
- Laß dich von Experten beraten. Besonders empfehlen wir dir hier Frau Dr. Renate Vanselow (biologie-der-pferde.de), die gerne zu dir kommt, und das Buch von Ingolf Bender "Praxishandbuch Pferdeweide"
- Biete zu jeder Jahreszeit ergänzend Heu an
- Bentonite und Zeolithe in Nahrungsergänzungsmitteln können Mykotoxine binden und gehören auf den Speiseplan. Dies gilt insbesondere für Pferde mit besonders hohem Energiebedarf wie tragende Stuten, Sportpferde, Arbeitspferde und Jungpferde im Wachstum.
Fazit:
Endophyten in Weidegräsern stellen eine ernsthafte Gefahr für Pferde dar. Leider wird dieses Thema hierzulande noch viel zu wenig wahrgenommen, obwohl eine Reihe schwerer Erkrankungen bei Pferden von Endophyten ausgelöst wird. Es besteht ein Konflikt zwischen den wirtschaftlichen Interessen intensiver Landwirtschaft und den Bedürfnissen von Pferdehaltern. Wirtschaftlichkeit versus Pferdegesundheit. Wir brauchen auch in Deutschland die Möglichkeit, die Belastung von Wiesen und Pferden zu testen. Nachhaltige Weidewirtschaft, artenreiches Saatgut, ganzjährige Zufütterung von Heu und regelmäßige Entgiftung sind sinnvolle Maßnahmen, um unsere Pferde zu schützen.
Und – weitersagen! Sprich über das Thema Endophyten mit anderen Pferdebesitzern und gib die Informationen weiter, denn so schaffst du ein Bewusstsein für dieses Thema und hilfst dabei, dieses in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken.